Anpassungsstörung

Wie eine Anpassungsstörung entsteht

Der Verlust eines Menschen, eine Trennung, ein beruflicher Einschnitt. Belastende Ereignisse können zu einer sogenannten Anpassungsstörung führen. Was die psychische Störung von anderen Krankheitsbildern unterscheidet – und wie sie sich am besten behandeln lässt.

Moritz Neumeier ist mit seiner Erkrankung umgegangen, wie es für einen Comedian wohl typisch ist: mit schwarzem Humor. Für eine richtige Depression habe es bei ihm nicht gereicht, hat er mal in einem seiner Programme erklärt. Der Stand-up-Comedian aus Norddeutschland litt vor einigen Jahren unter einer Anpassungsstörung. Ganz daneben lag er mit seinem Humor nicht, denn die Anpassungsstörung lässt sich am besten in Abgrenzung von anderen psychischen Störungen wie Depressionen erklären.

Wie zeigt sich eine Anpassungsstörung?

Typisch ist, dass Anpassungsstörungen die Reaktion auf eine Veränderung oder ein belastendes Lebensereignis sind. Die Beschwerden treten innerhalb eines Monats nach dem Ereignis auf. Sie führen bei betroffenen Menschen zu Leidensdruck, der sich in einer Reihe von Symptomen zeigen kann, beispielsweise

  • Ängste,
  • gedrückte Stimmung,
  • vermehrtes Grübeln,
  • Verlust an Lebensfreude,
  • Schlafstörungen,
  • Konzentrationsprobleme,
  • sozialer Rückzug.

Hinzu können körperliche Symptome kommen, etwa

  • Anspannung,
  • Rückenschmerzen,
  • Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule,
  • Verdauungsprobleme oder
  • Erschöpfung.

In der Regel klingen die Anzeichen innerhalb eines halben Jahres wieder ab. Wie stark die Symptome ausgeprägt sind, ist von Mensch zu Mensch verschieden. „Eine Anpassungsstörung bewegt sich im Kontinuum von Gesundheit und Krankheit“, sagt Dr. Petra Hunold, Chefärztin und stellvertretende Ärztliche Direktorin der LWL-Klinik Lippstadt. Es gibt also fließende Übergänge zwischen einer normalen Reaktion und einer psychischen Störung, die behandelt werden muss. „Daher ist es schwer, eine scharfe Grenze zu ziehen. Entscheidend ist, wie hoch der Leidensdruck einer Patientin, eines Patienten ist.“

Was sind die Ursachen einer Anpassungsstörung?

Nach Einschätzung von Psychiaterin Hunold sind die häufigsten Auslöser Verlusterfahrungen durch Todesfälle; aber auch Trennungen, Krankheiten, hohe Belastungen im Beruf, Mobbing- und Konflikt-Erfahrungen oder der Eintritt in die Rente können zu einer Anpassungsstörung führen.

twa zwei bis acht Prozent der Menschen sind betroffen. „Eine Anpassungsstörung kann in jeder Altersgruppe auftreten – vom Kindes- bis zum Seniorenalter“, erklärt Hunold. Zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen wie Depressionen und chronischer Erschöpfung haben Anpassungsstörungen im Jahr 2024 laut Krankenkasse KKH zu einem Höchststand an Fehlzeiten im Job geführt.

Was unterscheidet Anpassungsstörung und Depression?

Die schwerwiegenden Erfahrungen, die zu einer Anpassungsstörung führen, geben den Betroffenen das Gefühl, nicht mehr weitermachen zu können wie bisher – sich in einer Lebenskrise zu befinden. Die Symptome der Anpassungsstörung sind aber weniger schwer ausgeprägt als die einer Depression.

In der Regel können Menschen mit einer Anpassungsstörung ihren Alltag noch bewältigen, während das bei einer Depression oftmals nicht mehr der Fall ist. „Die Anpassungsstörung bleibt stärker an der Oberfläche, während eine Depression die Seele in ihrer Tiefe beeinträchtigt“, erklärt Petra Hunold. Ansonsten erfolgt die Unterscheidung vor allem durch den Ausschluss einer Depression.

Wann benötigen Betroffene professionelle Hilfe?

Auch wenn die Symptome einer Anpassungsstörung nicht so schwerwiegend sind wie die einer Depression, kann es sein, dass Betroffene professionelle Unterstützung benötigen. Das ist der Fall, wenn sie die Anpassung an die neue Lebenssituation nicht aus eigener Kraft schaffen. Entscheidend ist dabei, wie krank oder eingeschränkt sich Betroffene fühlen, erklärt Psychiaterin Hunold. Eine Ärztin, ein Arzt oder psychologischer Psychotherapeut stellt die Diagnose und schließt dabei andere psychische Störungen wie Traumata oder Depressionen aus.

Wie wird eine Anpassungsstörung behandelt?

Zur Behandlung einer Anpassungsstörung kann eine ambulante Psychotherapie sinnvoll sein. „Das gilt vor allem dann, wenn es sich nicht um ein einzelnes Ereignis, sondern um immer wiederkehrende ungünstige Denk- und Verhaltensmuster handelt“, sagt Prof. Andreas Hillert, Chefarzt der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. „Eine stationäre Therapie ist in der Regel nicht notwendig.“

Erste Anlaufstelle ist meist die Hausarztpraxis. In einer Studie der Universität Hamburg konnte gezeigt werden, dass bereits eine Psychotherapie, die auf zwölf Sitzungen beschränkt ist, mehr als zwei Drittel der Patientinnen und Patienten hilft. Medikamente werden in der Regel nicht gegeben, sie sind allenfalls in Ausnahmefällen zur Beruhigung und nach ärztlicher Absprache sinnvoll.

Was können Betroffene selbst tun?

Die professionelle Unterstützung ist das eine – die Stärkung der eigenen Ressourcen das andere. Wer über viel innere Widerstandskraft beziehungsweise Resilienz und ein gutes soziales Netz verfügt, findet oftmals auch allein aus der schwierigen Lebenssituation heraus. „Ein gutes unterstützendes soziales Umfeld ist so gesehen das beste Therapeutikum“, erklärt Hillert. „Hinzu kommt: Wer ein breites Spektrum an Strategien hat, um sich selbst zu behaupten und Konflikte angemessen zu lösen, ist gut aufgestellt“, so der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin. Ein hoher Perfektionismus, übertriebene Ansprüche an sich selbst und wenige soziale Kompetenzen gelten hingegen als Risikofaktoren.

Umso wichtiger: sich ein starkes soziales Netz aufbauen und die eigene innere Widerstandskraft präventiv stärken, um besser mit Veränderungen und Druck umgehen zu können. Dabei können beispielsweise Kurse für Resilienz und Stressmanagement helfen. Angehörige können am besten unterstützen, indem sie zuhören und Verständnis zeigen.

Wichtig zu wissen: In schweren psychischen Krisen hat jeder Mensch Anspruch auf Hilfe. „Im psychiatrischen Notfall, zum Beispiel bei suizidalen Gedanken, kann sich jeder an die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses wenden“, rät Petra Hunold.

Quelle: Apotheken-Umschau